INTERVIEW

MIT SONJA MARIA KRÖNER

In SOMMERHÄUSER sind die Grenzen zwischen Realität und Surrealismus fließend. Wie wichtig war es Ihnen, einen Plot zu entwickeln, der von den Erzählmustern eines konventionellen Familiendramas abweicht?

Das war im Fall von SOMMERHÄUSER gar keine bewusste Entscheidung. Im Gegensatz zu anderen Regisseuren, die zunächst einen Plot entwickeln, gehe ich von den Figuren aus. Ich beobachte gerne andere Menschen und ihre Verhaltensweisen. Aus dieser beobachtenden Herangehensweise heraus ergibt es sich automatisch, dass der Plot meines Films nicht auf einen klassischen Dreiakter hinausläuft. Natürlich muss man für die Verknüpfung der vielen Ideen und Eindrücke, die in das Drehbuch einfließen, eine dramaturgische Struktur finden – auch wenn es sich um eine unkonventionell erzählte Geschichte handelt.

Was hat Sie zu dieser besonderen Familiengeschichte inspiriert?

Ich bin bei SOMMERHÄUSER von einem wichtigen Ort meiner Kindheit ausgegangen: Ein unbebautes Grundstück in München, das meiner Familie gehörte. So etwas gibt es heute nicht mehr. Das Grundstück von damals ist mittlerweile auch bebaut worden. Ich wollte einfach die Sommer meiner Kindheit einfangen.

Der Film spielt im Jahre 1976, Sie selbst sind 1979 geboren. Und doch bekommt man den Eindruck, dass Ihnen die in SOMMERHÄUSER geschilderte Familienkonstellation sehr vertraut ist?

SOMMERHÄUSER ist kein autobiografischer, sondern ein sehr persönlicher Film. Keiner der Konflikte in SOMMERHÄUSER hat tatsächlich so in der Realität stattgefunden. Aber einzelne Personen haben mich inspiriert und viele Situationen, die ich in meinem Film schildere, habe ich selbst erlebt: Kaffeetrinken mit meinen Großtanten, Baumhaus bauen, in den Nachbargrundstücken herumstreunen und immer wieder Geburtstagsfeste im Garten.

Das Jahr 1976, in dem mein Film angesiedelt ist, habe ich natürlich nicht selbst als Kind erlebt, ich bin ja in den 1980er Jahren groß geworden. Ich habe SOMMERHÄUSER trotzdem in den 1970er Jahren angesiedelt, weil es einen Ort wie den Garten von Oma Sophie in den 80er Jahren womöglich schon nicht mehr gegeben hätte. Dieser Garten hat etwas Hermetisches. Man fährt dahin und ist für die Außenwelt nicht mehr erreichbar. Es gibt keine Handys, noch nicht mal ein Festnetztelefon, kein Internet. Außerdem hat das Zusammentreffen an diesem Ort eine Unbedingtheit, die es heute in Familien so nicht mehr gibt. Es war einfach selbstverständlich, dass man am Wochenende und in den Ferien dort hinfährt. Obwohl es viele Konflikte gibt und man vielleicht auch schlechte Erinnerungen mit einem Ort verbindet, fährt man immer wieder dorthin. Das hat in der 80er Jahren schon angefangen sich aufzulösen.

Welche Rolle spielt das Verschwinden der kleinen Nina für die Geschichte?

SOMMERHÄUSER spielt ganz bewusst im Jahre 1976, in dem der sogenannte „Kannibale von Duisburg“ gefasst wurde. Er ermordete damals zwischen acht und 14 Menschen und verzehrte sie teilweise. Dieses latente Gefühl der Bedrohung, das über der Familie schwebt, fand ich spannend. Die Kinder sollten nicht ganz sicher sein an diesem idyllischen Ort. Das Baumhaus im Film ist ein bisschen zu hoch und hat eine ungesicherte Hängebrücke, auf der man theoretisch abstürzen könnte. Es gibt einen mysteriösen Nachbar, den niemand zu Gesicht bekommt – und man erfährt über das Radio und die Zeitung von der Geschichte eines verschwundenen Mädchens aus der Nachbarschaft.
Es sollte eine unterschwellige Spannung aufgebaut werden, dass den Kindern etwas passieren könnte, aber man nie genau weiß, wie sich diese Spannung letztendlich entladen wird.

Haben Sie viel mit den Schauspielern improvisiert oder sind sie mit sehr klaren Vorstellungen in den Dreh einer Szene gegangen?

Wir haben eigentlich gar nicht improvisiert. Nicht, weil ich das nicht mag, ich finde diese Herangehensweise an einen Dreh sehr spannend. Aber ich schreibe einfach gerne Dialoge und mag es die Figuren darüber zu charakterisieren. Daher wurden fast alle Dialoge, die im Film gelandet sind, auch von mir geschrieben. Ich habe nichts dagegen, wenn ein Schauspieler Texte abändert oder Dialoge dazu erfindet, wenn es zur Geschichte und zu den Figuren passt. Oft sind die Schauspieler ja viel mehr in ihren Figuren drin.

Der Film erläutert sehr schön die unterschiedliche Wahrnehmung der Außenwelt durch die Erwachsenen und die Kinder. Alle verbringen gemeinsam die Ferien, aber sie werden mit unterschiedlichen Erinnerungen nach Hause gehen. War das für Sie eine Herausforderung?

Ja, das war auf jeden Fall schwierig, weil wir uns ja nicht auf eine Sichtweise geeinigt hatten. Ich wollte gern beide Perspektiven haben, auch von der Auflösung her. Man ist mit den Kindern unterm Tisch und die kriegen nur die Hälfte von dem mit, was die Erwachsenen sprechen. Eigentlich interessiert es sie auch nicht wirklich, sondern sie verstecken sich. Aber dann ist man wieder bei den Erwachsenen, die sich gegenseitig belauschen und die in der Hütte ein Gespräch miteinander führen. Vor allem im Schnitt war es nicht ganz einfach, weil die von den Kindern erlebte Zeit eine ganz andere ist als die der Erwachsenen. Für die Kinder ist die Zeit im Garten eine Aneinanderreihung endloser Sommertage. Im Schnitt haben wir teilweise viele Kinderszenen aneinandergereiht und damit eine eigene Zeiteinheit für die Kinder erschaffen. Dann sind wir wieder zu den Erwachsenen gegangen. Das war die beste Lösung.

Ihr Debütfilm ist bis zum Schluss ein subtil erzähltes Porträt einer Großfamilie in den 1970er Jahren. Gab es in der Drehbuchphase auch Überlegungen, mit dieser Erzählweise zu brechen und den Film auf eine große Konfliktszene am Ende hinzuspitzen?

Ich finde ja, dass es eine Zuspitzung zum Ende des Films gibt – auch, wenn sie wahrscheinlich immer noch recht subtil ist. Die ganze Geburtstagsparty mit all ihren kleinen Widrigkeiten und Streitereien entlädt sich schließlich in einem großen Streit am Baumhaus. Nur geht es eben nach dem Streit nicht genauso dramatisch weiter. Jeder zieht sich vom anderen zurück und tut ein bisschen so, als wäre nichts gewesen.

Was mich am Filmemachen interessiert, ist Splitter des wirklichen Lebens einzufangen. Und ich glaube, dass es im Leben eben selten so ist, dass ein Streit direkt zu großen Veränderungen führt. Meistens geht es danach einfach weiter wie vorher. Die Konflikte verschwinden im Untergrund und brodeln dort vor sich hin, bis der nächste neuralgische Punkt kommt, an dem sich die Emotionen wieder entladen.

INTERVIEW

MIT SONJA MARIA KRÖNER

In SOMMERHÄUSER sind die Grenzen zwischen Realität und Surrealismus fließend. Wie wichtig war es Ihnen, einen Plot zu entwickeln, der von den Erzählmustern eines konventionellen Familiendramas abweicht?

Das war im Fall von SOMMERHÄUSER gar keine bewusste Entscheidung. Im Gegensatz zu anderen Regisseuren, die zunächst einen Plot entwickeln, gehe ich von den Figuren aus. Ich beobachte gerne andere Menschen und ihre Verhaltensweisen. Aus dieser beobachtenden Herangehensweise heraus ergibt es sich automatisch, dass der Plot meines Films nicht auf einen klassischen Dreiakter hinausläuft. Natürlich muss man für die Verknüpfung der vielen Ideen und Eindrücke, die in das Drehbuch einfließen, eine dramaturgische Struktur finden – auch wenn es sich um eine unkonventionell erzählte Geschichte handelt.

Was hat Sie zu dieser besonderen Familiengeschichte inspiriert?

Ich bin bei SOMMERHÄUSER von einem wichtigen Ort meiner Kindheit ausgegangen: Ein unbebautes Grundstück in München, das meiner Familie gehörte. So etwas gibt es heute nicht mehr. Das Grundstück von damals ist mittlerweile auch bebaut worden. Ich wollte einfach die Sommer meiner Kindheit einfangen.

Der Film spielt im Jahre 1976, Sie selbst sind 1979 geboren. Und doch bekommt man den Eindruck, dass Ihnen die in SOMMERHÄUSER geschilderte Familienkonstellation sehr vertraut ist?

SOMMERHÄUSER ist kein autobiografischer, sondern ein sehr persönlicher Film. Keiner der Konflikte in SOMMERHÄUSER hat tatsächlich so in der Realität stattgefunden. Aber einzelne Personen haben mich inspiriert und viele Situationen, die ich in meinem Film schildere, habe ich selbst erlebt: Kaffeetrinken mit meinen Großtanten, Baumhaus bauen, in den Nachbargrundstücken herumstreunen und immer wieder Geburtstagsfeste im Garten.

Das Jahr 1976, in dem mein Film angesiedelt ist, habe ich natürlich nicht selbst als Kind erlebt, ich bin ja in den 1980er Jahren groß geworden. Ich habe SOMMERHÄUSER trotzdem in den 1970er Jahren angesiedelt, weil es einen Ort wie den Garten von Oma Sophie in den 80er Jahren womöglich schon nicht mehr gegeben hätte. Dieser Garten hat etwas Hermetisches. Man fährt dahin und ist für die Außenwelt nicht mehr erreichbar. Es gibt keine Handys, noch nicht mal ein Festnetztelefon, kein Internet. Außerdem hat das Zusammentreffen an diesem Ort eine Unbedingtheit, die es heute in Familien so nicht mehr gibt. Es war einfach selbstverständlich, dass man am Wochenende und in den Ferien dort hinfährt. Obwohl es viele Konflikte gibt und man vielleicht auch schlechte Erinnerungen mit einem Ort verbindet, fährt man immer wieder dorthin. Das hat in der 80er Jahren schon angefangen sich aufzulösen.

Welche Rolle spielt das Verschwinden der kleinen Nina für die Geschichte?

SOMMERHÄUSER spielt ganz bewusst im Jahre 1976, in dem der sogenannte „Kannibale von Duisburg“ gefasst wurde. Er ermordete damals zwischen acht und 14 Menschen und verzehrte sie teilweise. Dieses latente Gefühl der Bedrohung, das über der Familie schwebt, fand ich spannend. Die Kinder sollten nicht ganz sicher sein an diesem idyllischen Ort. Das Baumhaus im Film ist ein bisschen zu hoch und hat eine ungesicherte Hängebrücke, auf der man theoretisch abstürzen könnte. Es gibt einen mysteriösen Nachbar, den niemand zu Gesicht bekommt – und man erfährt über das Radio und die Zeitung von der Geschichte eines verschwundenen Mädchens aus der Nachbarschaft.
Es sollte eine unterschwellige Spannung aufgebaut werden, dass den Kindern etwas passieren könnte, aber man nie genau weiß, wie sich diese Spannung letztendlich entladen wird.

Haben Sie viel mit den Schauspielern improvisiert oder sind sie mit sehr klaren Vorstellungen in den Dreh einer Szene gegangen?

Wir haben eigentlich gar nicht improvisiert. Nicht, weil ich das nicht mag, ich finde diese Herangehensweise an einen Dreh sehr spannend. Aber ich schreibe einfach gerne Dialoge und mag es die Figuren darüber zu charakterisieren. Daher wurden fast alle Dialoge, die im Film gelandet sind, auch von mir geschrieben. Ich habe nichts dagegen, wenn ein Schauspieler Texte abändert oder Dialoge dazu erfindet, wenn es zur Geschichte und zu den Figuren passt. Oft sind die Schauspieler ja viel mehr in ihren Figuren drin.

Der Film erläutert sehr schön die unterschiedliche Wahrnehmung der Außenwelt durch die Erwachsenen und die Kinder. Alle verbringen gemeinsam die Ferien, aber sie werden mit unterschiedlichen Erinnerungen nach Hause gehen. War das für Sie eine Herausforderung?

Ja, das war auf jeden Fall schwierig, weil wir uns ja nicht auf eine Sichtweise geeinigt hatten. Ich wollte gern beide Perspektiven haben, auch von der Auflösung her. Man ist mit den Kindern unterm Tisch und die kriegen nur die Hälfte von dem mit, was die Erwachsenen sprechen. Eigentlich interessiert es sie auch nicht wirklich, sondern sie verstecken sich. Aber dann ist man wieder bei den Erwachsenen, die sich gegenseitig belauschen und die in der Hütte ein Gespräch miteinander führen. Vor allem im Schnitt war es nicht ganz einfach, weil die von den Kindern erlebte Zeit eine ganz andere ist als die der Erwachsenen. Für die Kinder ist die Zeit im Garten eine Aneinanderreihung endloser Sommertage. Im Schnitt haben wir teilweise viele Kinderszenen aneinandergereiht und damit eine eigene Zeiteinheit für die Kinder erschaffen. Dann sind wir wieder zu den Erwachsenen gegangen. Das war die beste Lösung.

Ihr Debütfilm ist bis zum Schluss ein subtil erzähltes Porträt einer Großfamilie in den 1970er Jahren. Gab es in der Drehbuchphase auch Überlegungen, mit dieser Erzählweise zu brechen und den Film auf eine große Konfliktszene am Ende hinzuspitzen?

Ich finde ja, dass es eine Zuspitzung zum Ende des Films gibt – auch, wenn sie wahrscheinlich immer noch recht subtil ist. Die ganze Geburtstagsparty mit all ihren kleinen Widrigkeiten und Streitereien entlädt sich schließlich in einem großen Streit am Baumhaus. Nur geht es eben nach dem Streit nicht genauso dramatisch weiter. Jeder zieht sich vom anderen zurück und tut ein bisschen so, als wäre nichts gewesen.

Was mich am Filmemachen interessiert, ist Splitter des wirklichen Lebens einzufangen. Und ich glaube, dass es im Leben eben selten so ist, dass ein Streit direkt zu großen Veränderungen führt. Meistens geht es danach einfach weiter wie vorher. Die Konflikte verschwinden im Untergrund und brodeln dort vor sich hin, bis der nächste neuralgische Punkt kommt, an dem sich die Emotionen wieder entladen.

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Paradies, oder?
„SOMMERHÄUSER ist eine präzise beobachtende Momentaufnahme in perfekter 70er Jahre Ausstattung, die bloßlegt was Familie so wichtig und was sie so anstrengend macht.“ ZDF NEU IM KINO „Humorvoll, giftig, beklemmend“ RBB AKTUELL „Einer der besten deutschen Filme des Jahres“ KULTURMOVIES „Eine sehr besondere Mischung aus Nostalgie und Unbarmherzigkeit. ‚Sommerhäuser‘ mag 1976 spielen, aber der Film erzählt nicht nur von der Vergangenheit einer Familie, sondern vor allem von der Zukunft des deutschen Films.“ FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG